2014-10-27
Die sprichwörtliche 'eierlegende Wollmilchsau' suchte der Landesverband Hessen des Marburger Bundes, als 1998 der bisherige Geschäftsführer Hans Welsch in Rente ging. Der hatte große Fußspuren hinterlassen und entsprechend hoch waren die Erwartungen des Vorstandes an die Nachfolge, die alles noch besser machen sollte: Gefühlte 24/7-Präsenz in der Geschäftsstelle des Landesverbandes bei Anfragen von Mitgliedern, zugleich Aufsuchen der Mitglieder in den Kliniken vor Ort und Werbung unter den Studierenden an den drei medizinischen Fachbereichen Hessens; Ausweitung der Arbeit in der Geschäftsstelle mit sparsamer Haushaltsführung; den Verband als individuellen Dienstleister bei Konflikten am Arbeitsplatz ausweisen, nicht ohne den Ausbau einer Ärztegewerkschaft, als die Welch visionär den MB Hessen bereits auf dem Briefkopf attribuiert hatte.
Im Fachanwalt für Arbeitsrecht Udo Rein mit ehrenamtlicher Gewerkschaftserfahrung meinte der MB Hessen den Richtigen gefunden zu haben: Am 1.9.1998 nahm er seine Tätigkeit auf. Der Vorstand sollte sich nicht getäuscht haben; Udo Rein stieg direkt voll ein.
Der Vorstand ließ sich von seinem Konzept schnell überzeugen. Die personelle Stärkung der Geschäftsstelle führte zu einem verbesserten Service für die Mitglieder. Rasch sprach sich unter den in einem heute kaum noch vorstellbarem Maß ausgebeuteten Klinikärztinnen und -ärzten herum, dass sich mit fundierter juristischer Beratung im Hintergrund die individuelle Situation verbessern ließ, notfalls auch mit einer Klage vor dem Arbeitsgericht, klugerweise in solidarischer gemeinsamer Aktion.
Bald zog ein Server in die Geschäftsstelle ein und jede Mitarbeiterin und jeder Mitarbeiter hatte einen eigenen IT-Arbeitsplatz, natürlich auch mit eigener E-Mailadresse. Was zuvor umständlich nur per Fax mit wenigen Korrespondenten oder per Brief mit langer Laufzeit möglich war, die asynchrone Kommunikation, per E-Mail führte sie zu einem prompten Service bei der Beantwortung von Anfragen ohne Wartezeit auf eine freie Leitung. Verbunden war das mit dem Aufbau einer Datenbank, die es erlaubte, zielgenau Mitglieder eines betroffenen Krankenhauses oder eines Tarifbereiches zeitnah zu informieren oder zu befragen.
Ein erfreulicher Zugang neuer Mitglieder war Konsequenz des verbesserten Service, so dass die Kosten für den Ausbau der Geschäftsstelle in einem ausgeglichenen Haushalt aufgefangen werden konnten, ohne die traditionell niedrigen Mitgliedsbeiträge überproportional anheben zu müssen. Darüber hinaus fütterte Rein den Kampf- und Streikfonds Jahr für Jahr kräftig.
Als gewerkschaftlicher Seismograf spürte Udo Rein die Vorbeben des TVöD mit seiner massiven Benachteiligung der durch hohe Arbeitszeiten belasteten Klinikärztinnen und -ärzte frühzeitig und bereitete den Vorstand auf die notwendigen Gegenmaßnahmen vor. Für das Fehlen eines Tarifvertrages im Bereich des Landes Hessen verstand er zu sensibilisieren. Er überzeugte die spontanen Gruppierungen an den betroffenen Kliniken davon, dass gemeinsame Aktionen nur auf der Basis einer Ärztegewerkschaft erfolgreich sein können: Ein explosiver Zuwachs neuer Mitglieder bestätigte das Konzept und verlieh den Aktionen des Landesverbandes, auch seinen Arbeitskämpfen, die erforderliche Schubkraft.
Kurzum: In Udo Rein hatte der MB Hessen einen Geschäftsführer, der mit seinem großen Engagement in allen Tätigkeitsfeldern, seinen vorausschauenden Konzepten und seiner schier unerschöpflichen Energie, diese umzusetzen und den MB weiter zu entwickeln, weit mehr geleistet hat, als das von einer 'eierlegenden Wollmilchsau' zu erhoffen war.
Selbst das Eierlegen wurde dem Stand der Wissenschaft entsprechend reformiert – die Weitergabe des Wissens und der Erfahrung erfolgte sozusagen durch fachgerechtes 'Klonen': In der Geschäftsstelle nahmen die Fachanwältinnen und -anwälte für Arbeitsrecht zu, bei aller individuellen Kompetenz geprägt von der Rein'schen Schule. Davon haben nicht nur laufend die Mitglieder, sondern am Ende auch der MB Hessen als Verband profitiert, wenn Udo Rein nun in den wohlverdienten Ruhestand geht.
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